Nachdem Caspar Brötzmann sein Gitarrenspiel auf einer 10″ anlässlich des Record Store Days 2017 mit dem elektronischem Glitch von T.Raumschmiere zusammenbrachte, bringt er nun, mit Massimo Pupillo und Alexandre Babel auf „Live At Candy Bomber Studios Vol.1“ zwei viertelstündige Meditationen in Wucht, Krach und mahlströmendem Malmen auf LP.
Wucht, Krach und mahlströmendes Malmen
Wie auch auf dem ebenfalls hier besprochenen „Imaginary Boys“ von Golden Diskó Ship bringt uns der geschmackssichere Roster von Karlrecords in den Genuss dieser Musik. So dicht und kohärent die Stücke sich hier präsentieren: das Release lässt dem Titel nach vermuten, dass da noch weiteres Material folgen könnte.
Seite A – namentlich „Teer“ – beginnt mit einem Wummern, einem Grollen einer gut erzogenen oder gerade noch so gezügelten Gewalt, das übergeht in ein Schnarren und Gurren, sich dann wieder entspannt, geradezu schnurrt, während Brötzmann liebevoll die Brücke seiner Gitarre tätschelt und ihr ätherische Obertöne entlockt.
Brötzmann ist schließlich einer, der die Gitarre in ihrer ganzen klangbringenden Architektur spielt und sich schon bei seiner ersten Veröffentlichung mit dem Caspar Brötzmann Massaker weit von der banalen Organisation der Erzeugung von Tönen durch ihre bundgebundende Verortung auf dem Hals des Instruments entfernte. Brötzmann ist seine Gitarre. Brötzmann legt sich in seine Gitarre rein. Beide – Brötzmann und sein Instrument – rückkoppeln einander. Nicht zuletzt deshalb wird er gern auch mit Jimi Hendrix verglichen. Das Jaulen, das Aufbäumen, das tiefe Versunkensein im Heilschlick des Lärmens – all das eint die beiden. Sehr schön dokumentiert findet sich dieses geradezu transzendente Verständnis des Musizierens in Uli M Schueppels meditativem Doku-Essay „Da gehört die Welt mal mir“ mit und über Brötzmann.
Pechschwarz leuchtender Lärm
In dieses kaum gezähmte Biest der ersten Gitarrenminuten von „Teer“ traut sich dann – entfacht von Alexandre Babel – langsam, bald immer überbordender das Schlagzeug hinein. Es zischelt, fuhrwerkt und mäandert. Die Bassgitarre von Massimo Pupillo umforscht diesen Dampfkessel von unten her, aus dem glutdichten Wust und Wanst seines in wattigen Krach geölten Bauches.
Die Dichte der hier aufgestauten kinetischen, zu Klang gebrachten, in Krach verfrachten Energie muss natürlich auch irgendwo wieder hin. In der Teerblase pumpt und kocht es. Das Schlagzeug perlt und drischt, sucht Bahnen, Wege und knüpft ein rhythmisches Geäst, an dem der pechschwarz leuchtende Lärm entlangfließen kann.
Wie in aller improvisierten Musik führt hier jeder Ton und jeder nicht gespielte Ton in eine nächste Möglichkeit. Hier scheint es, als ergieße sich aus dem Trio Babel / Brötzmann / Pupillo ein Mahlstrom aus Möglichkeiten. Aus einem erruptiv plötzlich aufgeschlossenen Kern ergießt sich hier die allerschönste Schwere.
In all dem Wechselspiel aus Anspannen, Loslassen, Zerren, Reißen und Dehnen, Sehnen und Suchen ist all dieser wunderschön wummernde Lärm natürlich letztlich auch eine Meditation. Eine Musik, die von innen heraus sich schält, dann draussen ist, dort fremd und ängstlich erstmal, deshalb laut und wütend scheint, aus seinem tiefsten Inneren aber Krach und Kraft, und damit eine freundliche, in ihrem Wüten sonderbar gesunde Art von Lebendigkeit ausströmt.
Tonale Vielfalt, Energie und Entladung
Im Stück „Wagner“ geht es auf Seite B mit einem wiederkehrenden Bassmuster zunächst in strukturierteren Bahnen zu. Hier herrscht zwielichtige, salbungsvolle Ordnung. Die Gitarre will aber auch hier natürlich dann doch weg, loswandern irgendwohin. Sie bäumt und schäumt, als klebte sie am Riff des Basses fest. Brötzmann spielt die Pickups, die Brücke und den Sattel, seinen ganzen eigenen gärenden Magen. Dazwischen wühlt sich die Gitarre durch den reichen Fundus ihrer Frequenzen. Der Bass geht da dann rein, in diese dröhnenden Räume der für ihn reservierten Spektren. Folgerichtig löst er sich vom Korsett seines Dreiton-Riffs und flicht sich in die Wallungen der Gitarre und die Gischt der scheppernden Drums. Nach einer Viertelstunde ist auch hier alles gespielt, was Musik so machen kann. Hier ist alles da: tonale Vielfalt, Energie und Entladung. Das nicht weniger wesentliche musikalische Moment der Pause löst sich in der grotesk erscheinenden, leeren, vaskulär puckernden Stille nach den Stücken ein. Wie benommen lauscht man – nach diesem hochdosierten Toben – in die Abwesenheit von Druck hinein.
Photo-Credits:
Original Photos in Header-Collage: bisaufsmesser.wordpress.com (Caspar Brötzmann), unbekannt (Massimo Pupillo), Martin Baumgartner (Alexandre Babel)