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Yannick Dauby und Hitoshi Kojo verdichten auf einer 10″ bei Drone Records gemeinsam Field Recordings, Sounds und Instrumente zu zwei zehnminütigen Klangwelten.
Drone Records aus Bremen ist nicht nur ein hochspezialisierter Mailorder, sondern als Label und Phänomen auch Schnittstelle zu einem treuen DIY-Geist in den weiten Feldern von randseitiger Musik und Nicht-Musik, speziell der Dronemusik. Stefan Knappe, bei Troum und früher Maeror Tri seit vielen Jahren auch als Musiker aktiv, bringt auf seinem Label liebevoll kuratierte Vinylnischenprodukte heraus, die die klanglichen Erscheinungen immer auch in Wechselwirkung denken, mit den durch sie verursachten und sie verursachenden sinnlichen, physio- und psychologischen Phänomenen. Stefan Knappes Liebe zum Drone und Geräusch wurzelt dabei nicht nur in der Freude am eskapistischen Versunkensein und Weltwegwummern: seine Diplomarbeit in der Psychologie trägt den Titel: „Das Unbewusste und der Klang. Psychoanalyse und experimentelle Geräuschmusik“.
Die Release-Reihe „Substantia Innominata“ forscht in diese Richtung weiter. Im 10″-Format widmet sie sich dem Unbekannten, Unbenennbaren, Undenkbaren und Ungedachten.
The theme for this 10” series is based on “The Un-known, The Un-nameable, The Un-speakable, The Un-thinkable, etc.: Various aspects related to “The Unknown”.
In diesem Sinne operieren auch Yannick Dauby und Hitoshi Kojo. Sie widmen sich in ihren musikalischen Welten den unerforschten oceans of sounds, als – frei nach David Toop – Reisende und Transmitter im ozeanisch dahinäthernden „sonic theatre“.
Yannick Dauby bezeichnet sich selbst als „in a special relationship with treefrogs and modular synthesizer“. Er improvisiert „with branches and stones“. Es treffen in seinem Werk also best of both worlds aufeinander. Auf der vorliegenden 10″ dominiert sein spezielles Verhältnis zu den Fröschen. Hitoshi Kojo sieht sich selbst als „sound-painter“ , der mit unterschiedlichen Mitteln „a molecular harmony in the sonic space that presents micro and macro-scape at the same time“ erschafft. Gemeinsam liefern sie auf „La Vie dans les Airs & dans les Eaux“ nun die 24. Veröffentlichung im Rahmen der „Substantia Innominata“-Reihe.
Das Leben und Belebtsein von Luft und Wasser
Dem Titel entsprechend widmet sich ein Stück auf „La Vie dans les Airs & dans les Eaux“ dem Leben in der Luft, das andere forscht klanglich dem Belebtsein des Wassers nach. Es geht also um zwei lebensbestimmende Elemente: beide sind Trägermedien lebenswichtiger Stoffe, agieren als Klangerzeuger, können Sounds aber auch transportieren. Ihre Aggregatzustände bestimmen das Verhalten von Klang. Sie sind so wesentlich, dass man sie und sein eigenes Leben darin, manchmal zu vergessen droht. Man atmet und stoffwechselt eben halt so vor sich hin.
Hier, an dieses Unbewusstsein, setzt diese Konzept-Vinyl an: sie geht in die Luft und das Wasser und schaut und staunt was dort so schallt und rauscht. Metall spielt – als strukturfesteres Pendant ebenjener – ebenfalls eine Rolle.
„We were touching metal with our skin, with wood and with stones. We were navigating in the obscurity, under the earth. We were probing the water with our instruments. Almost like if we were trying to let some lifeforms emerging from the land.“ (Yannick Dauby)
Die Bearbeitung und Erkundung metallischer Oberflächen mit verschiedenen Klangerzeugern in verschiedenen Medien erzeugt hier Klänge, die von metallischem Flirren bis hin zu lärmendem Scheppern reichen.
Wo Luft sich bläulich, wehend ineinanderfaltet
Seite A der Schallplatte – „La Vie dans les Airs“ – ist bestimmt von stehenden Bläsertönen, deren Grundton je nach Intensität mehr oder weniger ins Flimmern gerät. Sind sind sirenenhaft, verkehrsgeräuscheartig und klingen doch wie das Heulen nasser Steine in einer hallhöhligen Grotte. Wir hören Klänge, die vom Rollen von Murmeln in Klangschalen rühren könnten. Wir hören plätscherndes Wasser, das sonderbar kühl, wie in einem gefliesten Badezimmer aufgenommen klingt und im Klangraum einen örtlichen Kontrast zum weit entfernten, in ferne Stereobreiten gemischten organischen Wurmen der Bläser bildet. Seite A entwickelt sich in seinen zehn Minuten von vorsichtigem In-die-Welt-horchen zu einer immer verwischteren Streuung der klanglichen Elemente im immer weiter werdenden Hall. Die Klänge lassen einen im Unklaren, ob sie nun bedrohlich oder gütig wahrgenommen werden wollen. Wie eine Nacht, die anbricht, fällt und im Bruch zum Morgengrauen eine eigene, schwellende Dynamik entwickelt; Luft sich bläulich, wehend ineinanderfaltet.
Alles gondelt und windspielt
„La Vie dans les Eaux“ – das aquathematische Stück – präsentiert sich auf der zweiten Vinylseite grieseliger, schürfender und sumpfiger im Sound. Field Recordings von Teichwelt und Fröschen (sic!) sind erahnbar. Hier geht es um das Wasser. Hier geht es in das Wasser hinein. Hier hängt jene Dynamik der Nacht als tiefblaues, fast violettschwarzes Flackern im Wasser.
Alles gondelt und windspielt in bojenhafter Düsternis vor sich, schürft sich dann, im zweiten Teil des Stücks zu einem, von metallischem Scheppern hochschwappenden, warmwalzernden Lärm hinauf. Als schöbe jemand eine schwere Schiffstür gegen brettharte Nachtwinde. Als bräche ein Loch in diese Wassernacht. Tiefe Bläser versuchen dieses gischthafte Aufbäumen in den tieferen Frequenzen zu erden. Schlussendlich verdichtet sich alles zu einer mächtigen Wolke, die ganz genau so lange sich zu ergießen weigert, bis das brennende Schnaufen der tonal grollenden, sonderbar gütigen Gewalt wie von plötzlicher Kraftlosigkeit umfangen von selbst abebbt.
In alldem entwickeln die beiden Stücke der 10″ eine schwermütige Dichte, die in ihrer konzeptuellen Verschränkung von Luft und Wasser deren sonst eher nur diffus und atmosphärisch gefühlte, aber zweifelsohne elementare Grundnotwendigkeit verklanglicht – als plätschernd treidelnde und schubhaft treibende Geräusche, Klänge, Sounds und Musik, die Aggregatzustände durchbrechen. Diese luftröhrende Wassermusik ist dem Namen nach also belebt, lebend und lebendig.
Wie selbstverwaltet wallendes Brummen
Field Recordings, Soundart, Collage und Komposition treffen hier aufeinander und sind trennscharf nicht voneinander zu unterscheiden. Elektronische Manipulationen oder modulare Synthese sind – obwohl beide Künstler auch in diesen Klangfeldern arbeiten – vordergründig nicht auszumachen. Es bäumt sich beim Hören der Stücke das Gefühl auf, das alles hätte auch – ganz ohne editorisches Zutun von Yannick Dauby & Hitoshi Kojo – als selbstverwaltet wallendes Brummen einer menschenfernen, rein natürlich brandenden Klanglogik entstehen können. Darin liegt die Dichte und das mystische Moment der Aufnahmen. Hierin holen Yannick Dauby & Hitoshi Kojo sonst eher verborgene Weltklänge und Klangwelten an die Oberflächen und Ohren. Es ist Musik, die aus der Liebe zum Hören entsteht. Diese Musik bildet zwei Welten – Luft und Wasser – als Klänge ab, die in jedem Hören neu entziffert, aufgefaltet und mit Sinn und (Er)-Leben gefüttert werden. Damit liegt auch diese 24. Ausgabe der im Jahr 2005 initiierten Reihe wieder im Zentrum des seriellen Konzepts. Das Artwork besorgte übrigens, der als Soundartist ebenso umtriebige, Andrew Chalk.
// Martin Hiller
Einkaufen gehen:
Vinyl: http://www.dronerecords.de/album.view.html?album=17319
Digital: http://www.omnimemento.com/shop/sub24-file
Photo-Credits:
- www.yannickdauby.com (Yannick Dauby)
- Katariina Järvinen (Hitoshi Kojo at Colour Out Of Space Festival, 2009)
Thank you very much for the review.
But there is one thing that I must correct. As I remember, the photo of me was taken by a professional photographer Katariina Järvinen at Colour Out Of Space Festival in 2009. So her name should be entitled to the photo.
Best wishes,
ahoy hitoshi,
thank you very much for the correction.
i have added the correct credits to the photo.
best regards,
martin
You’re welcome. Thanks for the fast response.