Kommen People

Magazin für Leute, Lebensart und Langeweile

Die lange Rezension

Underworld & The Necks ‎- Appleshine Continuum

The Necks löten in „Appleshine Continuum“ souverän ihre Zeitlupen-Jazz-Expertise in das dankbar pumpende Schema eines Tracks von Underworld. „Appleshine Continuum“ geht als One-Track-Veröffentlichung in die vollen 47 Minuten. Für The Necks ist das nicht ungewöhnlich. Und der elektronischen Musik steht Zeit in der Häufung bis zum Stillstand sowieso immer gut.

Martin Hiller im Gespräch mit Schorsch Kamerun: Jugend – Distinktion, Dissidenz und DIY

Schorsch Kamerun flicht in seinen Debutroman „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“ – zuweilen zwar etwas umbetitelt – unverkennbar seine eigene Biographie mit hinein. Im Interview mit Schorsch Kamerun geht Martin Hiller den vielen Facetten und Irrsinnigkeiten vom großen, neverending Themenkomplex „Jugend – Distinktion, Dissidenz und DIY“ nach.

Judith Schalansky – Verzeichnis einiger Verluste (Suhrkamp Verlag, 2018)

In ihrem im Suhrkamp Verlag erschienenen „Verzeichnis einiger Verluste“ beschäftigt sich Judith Schalansky mit nicht weniger als Allem und Nichts: mit dem großen Ganzen und – das liegt in der Natur der Sache von Verlusten – auch dem kleinen Bruchstückhaften. Das was als Verlust festgestellt wird, muss schließlich irgendwann mal da gewesen sein, in graduellen Abstufungen für manche mehr, für manche eben weniger …

Rafael Horzon – Unternehmungslustiger & lustiger Unternehmer

Rafael Horzon hat es nicht leicht: Rafael Horzon will ein Unternehmer sein, wird aber immer als Künstler gesehen. Er darf nicht einfach nur ein Unternehmer sein. Alle seine Unternehmen, Projekte und Geschäfte werden einzeln als Aktionen und Konzepte eines künstlerischen Systems gelesen. In der Summe sagt man ihm dann gleich noch das Münchhausenhaftige nach. Der arme Kerl muss sich also ständig vor aller Welt rechtfertigen, über das was er so macht und was er also Unternehmen nennt.

In jedem Grain of Sound das Sandige herausarbeiten: Howe Gelb, Giant Sand und Radian

Die wiener Experimental-Elektroniker Radian haben ein gemeinsames Album mit Howe Gelb gemacht. Radian schnüren hier, als Konstrukteure ihrer eigenen Collage, Fragmente und Fetzen aus mehreren Sessions mit dem Giant-Sand-Mastermind aus Tucson, Arizona zusammen. Das zwischen experimenteller Electronica und aneinander geperlten Geräuschclustern osszilierende Resultat geht sich zusammen mit den skizzenhaften Ansätzen Howe Gelbs recht gut aus, wie man im Österreichischen eben so sagt. Ausgehend von dieser Kollaboration nähert sich dieser Artikel dem Werk von Howe Gelb.

Britta – Best of

Dieser Tage erscheint ein „Best Of“ der Berliner Band Britta bei Staatsakt. Britta singen darauf gesammelt und weiterhin von den Errungenschaften und Nöten, Mangel- und Verzichtserscheinungen eines selbstbestimmten, sogenannt alternativen Lebens. Aber bei Britta war eh schon immer alles „Best Of“, nur hat das die Mehrheit nie mitbekommen und Britta hatten es nie nötig das so herauszuposaunen. Mich selbst begleitete ihre Musik und jene der Lassie Singers über viele Jahre. Eine fast schon autobiographische Rezension.

Zu unrecht versunken – Tarnation Street: „High Hopes“

Das Popmusikgeschäft ist oft, und genau natürlich deswegen weil es ein Geschäft ist, ein ungerechtes. Manche Bands schaffen es mit ihrer Kauzigkeit, wenn auch oft nur kurz, Oberwasser zu bekommen und schwimmen dann eine Weile auf einem kleinen Hype. Die Kauzigkeit wird als Sonderlingsbonus gehandelt und für eine gewisse Zeit von allen Seiten hoch goutiert. Danach verschwinden diese Kauzbands oft wieder. Ebenso Tarnation Street aus Schweden.

Taylor Deupree – Somi

Wo die Parameter von zeitlicher Anordnung und tonaler Aktion auf vergangenen Veröffentlichungen via Software programmiert und generiert wurden, legte Taylor Deupree für „Somi“ wieder selbst Hand an und schnitt sich Tapeloops zurecht. Schon allein aus dieser Arbeit mit Tonbandschleifen ergeben sich jene digital nicht nachbastelbaren Verschleppungen, Verleierungen und Verwaschungen, die für das verzärtelte, leicht rauschige Soundbild sorgen, das unter Deuprees Engineer-Händen ganz besonders zu voller Entfaltung findet.

Oren Ambarchi, Kassel Jaeger, James Rushford – Pale Calling

James Rushford, Oren Ambarchi und Kassel Jaeger collagieren ihre jeweils verschiedenmusikalischen Kernkompetenzen auf „Pale Calling“ zu einem großen, glucksenden Ganzen. Zwischen dem Glucksen und einer sonnenstichigen Orgel hängen wortferne Stimmenfetzen, wie wirre Blitze in einem ungeordneten, vorsprachlichen Zustand zwischen Geist und Empfindung. Ab und an fällt eine Synthesizer-Tonfolge in diesen köchelnden, klaustrophobisch traumartigen Grundpuls – wie eine wirre Idee, eine tonale Notiz, wie das Signal einer eingehenden Kurznachricht aus einer tief verbuddelten Ebene im Unterbewussten.

Jarvis Cocker & Chilly Gonzales – „Room 29“

„Room 29“ ist wie eine zärtlich spinnerte Aufführung illustrer Klaviervignetten mit cognaclaunigem Geträller und Geflüster auf einer Probebühne bzw. – mehr noch – wie ein nächtlich-cognaclauniges Radiofeature darüber. „Room 29“ von Chilly Gonzales und Jarvis Cocker wirkt wie eine schrullige Fingerübung, ein diebischer Spaß unter kunstsinnigen Musikerfreunden.

Mutter – „Der Traum vom Anderssein“

Auf ihrem neuen Album vertont Mutter in acht Stücken auf 53 Minuten den menschlichen „Traum vom Anderssein“. Mal lieblich, ätherisch als in Shoegaze gewandete Weltdeutungswolken, dann wieder wummernd – nah am Frühwerk der Band – als brüllende, kaputte, alte, saure Hoffnung. Insgesamt knüpft „Der Traum vom Anderssein“ mit seinen Spezialeffektspielereien, dem satten Sound und dem Willen zum warmen Wummern, der sich hier und da für leisere Töne zurücknimmt, an ihr 2001 erschienenes Album „Europa gegen Amerika“ an. In diesen 53 Minuten schaffen es Mutter wieder, konkrete Dinge über das Leben und jene letztlich darin doch empfundene Schwere zu sagen.

Review: Golden Diskó Ship – Imaginary Boys

Die spinnerte Verflechtung von verwirbelten Synthesizerspielereien und den programmatisch entgegensetzt trocken gehaltenen Gitarrensounds und die Einflechtung von Streichersätzen geben „Imaginary Boys“ als Album – bei allem kosmischen Getreidel – eine Verspultheit, die neben FaUSt auch an so manches Werk von The Red Krayola denken lässt.