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Bier ist ja sowas wie ein Vermittler zwischen den Welten. Bier ist wie Motörhead. Da können alle irgendwie ein bisschen was mit anfangen. Auf Bier können sich die Prolls in der Technodiskothek ebenso einigen, wie die Bastelleute im Hobbykeller, die Feierteens in den Schicki-Micki-Bars und die kunstsinnigen Laberbacken in den Galerien. Bier ist etwas Ehrliches. Bier braucht nicht viel, um gut zu sein. Die Reihe „Biere suchen ein Zuhause“ testet die günstigsten Sorten.
Bier: Günstiges Reinheiz-Gebot
Bier ist ein Wunder des Minimalismus. Bier hat ein Reinheitsgebot. Wer lustig ist, sagt auch „Reinheiz“-Gebot. Bier heizt ein. Bier gibt ein warmes Gefühl. Ein bisschen Bierglimmer hat schon so manchen Frühlingsnachmittag mit Freunden perfekt gemacht.
Und das Tollste: Bier ist nicht teuer. Generell kann man sich in Deutschland, auch wenn man noch so wenig Geld hat (oder eben gerade dann), ziemlich kostengünstig bis an die Pforten der Verblödung und darüber hinaus saufen – in das Wunderland des dummen, fröhlichen, einfachen, echten Glücks. Klar, es gibt weniger stumpf und dick machende Genussmittel, aber um eine Debatte um Drogenpolitik und die Kriminalisierung anderer Rauschmittel soll es hier – diese Serie „Biere suchen ein Zuhause“ ist ja noch jung – nicht gehen.
Vom Saufen wird in Deutschland keiner arm, bei übermäßigen Verzehr höchstens blind und dumm. Für Leute mit erhöhter Empfindlichkeit in Augen und Gemüt ist Bier also genau das richtige Regulativ im Haushalt der körperbalancierenden Säfte.
Auch für sehr beschränkte Haushaltskassen hält das Getränkeangebot im Einkaufsladen ein Sortiment günstiger Biere bereit. Jeder Supermarkt hat da seine eigene Low-Budget-Linie. In dieser Serie testen wir uns durch dieses Angebot der Hopfenbrausen zu humanen Preisen. Alle Biere sind selbst gekauft und von keinem Discounter gesponsort. Wenn Sie eine geschäftsleitende Person in so einer Supermarktkette sind und uns aus Dank oder als Schweigegeld lebenslang mit Bier bemustern wollen, sagen wir aber auch nicht nein.
Hopfenbrausen vom Norma
Im ersten Teil widmen wir uns den Ballerbrühen der Discounter-Kette Norma. Norma ist, ähnlich wie Aldi, im Discounter-Bereich ein eher funktionaler, schnickschnackfreier Laden. Er ist bestimmt von einem zurückhaltenden, sagen wir uninspirierten Frischwarenangebot und Wühlkistenware mit Hang zu Handwerklichem. Man findet aber alles, was man braucht. Auch Bier.
Die Niedrigpreisbiere von Norma nennen sich „Burgkrone Premium Pilsener“ und „Pivovar Bohemus“. Namensmäßig gar nicht mal so schlecht.
Burgkrone Premium Pilsener
Preis ohne Pfand: 25 cent
Burgkrone Premium Pilsener präsentiert sich mit einem unprätentiösen Etikett. Sein Schmuck vortäuschender Goldrand unterstreicht die Zierlosigkeit auf paradoxe Weise. Die Verpackung vermittelt nichts Anheimelndes, keinen Lokalkolorit und auch keinerlei personelle Note. Das Design erinnert eher an das Signet einer Firma, die Gartentorbeschläge herstellt. Immerhin: es wirkt damit zeitlos. Um nicht zu sagen: aus der Zeit gefallen.
Aussehen:
Sind wir ehrlich: kein vernünftiger Billigbiertrinker kippt sich seine Drei-Groschen-Lorke in ein feines Bierglas. Man schüttet das Zeug ja sonst eher nur so stumpf aus Flaschen in sich rein. Als Biersomelier schaut man natürlich genauer hin! Im Versuchsbecher präsentiert sich das Bier in einem dünnen, körperlosen Flachsgelb, wenig perlend, mit einer großporigen Blume, die schnell zusammenfällt. Ihr schwachbrüstiger Schaum findet innen im Glas keine wirkliche Haftung. Schon optisch und in seinem Fließverhalten eher ein fahriges, unentschlossenes Bier.
Geruch
Das Burgkrone Premium Pilsener steht beim ersten Schnüffeln leicht metallisch in der Nase und lässt an einen alten Hobel in einer ungeheizten Sattlerwerkstatt denken. Flankiert wird dieser Geruchskern von Noten leicht vergorener Quetschbanane und dem Duft eines nassen Waschlappens, der in einer Großraumküche schon ein paar Mal über gut abgebundene Jägersoße gegangen ist. Diese nicht Übelkeit erregende, so doch aber leicht muffige Geruchsbasis lässt leider eine frische Gegenspitze vermissen.
Vielleicht schneidet das Bier im Geschmack, diesem prolligen, gemütsschlichten, gierigen Bruder des Geruchs, besser ab. Doch auch hier gewinnt das Bier keinen Blumentopf. Man muss dem Bier hier schon sehr aufmerksam hinterherschmecken.
Geschmack
Der Trunk ist wässrig und dünn. Nur bei längerer Schwenkung in der Mundhöhle entwickeln sich Eindrücke nackter Bitterkeit. Dieser schlichten, dünnen Herbheit fehlt es jedoch an nennenswerten Konteraromen. Eine kleine Spur Malz und ein Hauch von alten Backerbsen dehnen den Geschmackskörper noch notdürftig in die Breite. Aber vergebens: richtig Action kommt nicht auf. Das Bier fährt keine Achterbahn im Gaumen. Im Gegenteil: es bleibt zwischen den Schlücken auf der Zunge liegen, wie der Geschmack herausgealterter Amalgamplomben. Als leckte man am Geländer eines maroden Plattenbaubalkons. Die Kohlensäure ist kaum von Bestand. Nach drei raumgreifenden Hieben ist sie verschwunden.
Das Aromaprofil steht tölpelhaft und orientierungslos im Mundraum, entfaltet sich nicht, hat die Schultern eingezogen, wie ein verschreckter Esel. Erst im Abgang zeigt das Bier ein gewisses, wenn auch vorlautes Profil: es bleibt bitter und etwas zu lang in der Rachenkurve hängen, wie ein alter Traktorreifen in einer Wasserrutsche.
Impertinente Leckermäuler würden sagen: aromatisch fehlprogammiert. Wir genügsamen Sparfüchse sagen: dieses Bier hat einen eigenwilligen, unbeholfenen Charme. Seine Bitterkeit überwiegt. Sein leicht muffiges Bouquet lassen das Burgkrone Premium Pilsener etwas unwirsch geraten. Ein unkonzentriertes Getränk. Am Ende bleibt ein Mundklima, wie in einem schlecht gelüfteten Zelt. Immerhin: besser als gar kein Zelt! Burgkrone ist also durchaus ein gutes, günstiges Ferienlagerbier.
Fazit
Burgkrone Premium Pilsener – im Jahr 2016 prämiert mit dem Silbernen Preis der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) – ist eher charakterlos, mit der wässrigen Anmutung eines untergärigen Pilseners. Ein ungefährliches Getränk, das eiskalt, etwas unter Biertemperatur, bei drei bis vier Grad seine beste, nämlich erfrischende, weil wässrige Wirkung entfaltet. Auch fehlt es dem Bier an Identifikationspotential: es ist für keine Subkultur als Hausmarke wirklich geeignet. Für durstige Einsteiger ins Karussell der Benommenheit aber allemal ein Antesten wert.
Pivovar Bohemus
Preis ohne Pfand: 29 cent
Ganz anders dagegen das nur 4 cent teurere Pivovar Bohemus. Ein adlig anmutender Typ auf dem Cover (der Bierrezensent war mittlerweile zu besoffen, um das näher zu recherchieren) bringt schonmal etwas menschelndes Flair rüber. Auf einer weinroten Grundfarbe präsentiert sich das Etikett typografisch zwar etwas zugeballert, aber neben dem Alkoholgehalt immerhin mit Angaben zur Stammwürze. Dieses Bier kommt wertbewusster, mit geschwollenerer Brust als sein Burgkrone-Bruder daher.
Das Pivovar Bohemus offenbart ein volleres, aber nicht aufdringliches Geruchsbild mit milder Würze. Auch im Probierglas schneidet dieser günstige, goldene Gerstensaft gut ab und zeigt sich bernsteinfarben mit appetitlichen Lichtreflexen. Seine Blume ist schaumig, stabil und bleibt fast seifig eine kleine Weile an der Glaswand stehen. Dieses Bier ist gekommen um zu bleiben.
Auch im Gaumen bleibt es eine kleine Zeit erinnerlich. Das Bier verhält sich im Mund raumgreifend, legt sich sanft an alle Windungen der Zunge und bleibt als vollmundiges Echo von Malz eine kleine Weile so stehen.
Im Antrunk schmiegt sich das Bier breit, fast blumig an den Gaumen. Andeutungen von Süße geben dem Geschmackskörper eine bauchige Rundung. Dezente metallische Noten kann jedoch auch dieses Bier nicht verbergen und erinnert in der Summe an die seit Jahren nicht gewechselten Gitarrensaiten eines Lagerfeuerbarden mit salzigen Pranken. Lebemännisch zwar, aber nicht zu hundert Prozent austariert. Etwas breibeinig mit Schlagseite ins Launische. Nach einigen Hieben faltet der süffige Charakter dann etwas sperrige Aromen von sprödem Leder auf der Zunge aus. Wie ein weit gereister, alter Koffer. Wie eine im Regen liegengelassene Wanderzirkusziehharmonika.
Fazit
Pivovar Bohemus ist ein Allrounder mit appetitlicher Färbung, sattem Trunk, einem anpackenden Aromenklima von ausgeglichener Erdung in Malz. Ein Bier, das nicht übermäßig aufzutrumpfen versucht und in dieser Bescheidenheit seine weltgewandte, kumpelhafte Art voll entfalten kann. Ein Bier, das ebenso in der Mopedgarage, als auch im Reisegepäck eines Nachtanglers eine gute Figur macht. Auch zu herbstlichen Knödeln eine gute Wahl. Pivovar Bohemus ist ein erst sehr beflissen anmutendes Bier, dessen gut gesäumter Mantel im Abgang aber einige, zu diesem Preis natürlich verschmerzbare Löcher offenbart.
Cheers.
Hey Martin,
Dieser Artikel ist ne Wucht!
Ich lese ihn mir ca dreimal im Jahr durch.
Und ich muss sagen liest sich nach wie vor frisch, wirkt nicht abgestanden und vergönnt mir durchaus ein Lächeln ins Gesicht zu zentrieren.
Vielen Dank für diese tolle Rubrik!
Absoluter guter Geschmack Bohemus war und ist mein Favorit