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Wir Nischenfreaks haben es, wenn wir so nischig sind, dass wir nicht mal (mehr) in den großen Städten wohnen, schwer unsere (sub)kulturellen Needs zu befriedigen. Gerade ja auch filmisch. Wenn wir irgendwo wohnen, wo im Kino nur Blödsinn läuft und das Fernsehprogramm natürlich ganz genau identisch mangelhaft wie in allen anderen Landeswinkeln ist. Wenn die Filme, die wir sehen wollen, dann – aufgrund vermeintlich fehlender Nachfrage – nichtmal auf DVD oder sowas erscheinen, wird es schwer. Hier kommt das Internet ins Spiel. Man kann in diesem Internet ja mittlerweile richtiggehend Filme schauen! Von zuhause aus. Auf dem Sofa. In der Badewanne. In all den schönen Orten der wilden Raserei.
Caspar Brötzmann – „Da gehört die Welt mal mir“
Uli M Schueppel nutzt das Internet für die Verbreitung seiner FIlme schon seit einiger Zeit. Bisher hatte er sie über die Plattform Distrify als Video-on-Demand zur Verfügung gestellt. Jetzt gibt es seine Sachen auch bei Vimeo.
So auch seine filmische Meditation „Da gehört die Welt mal mir“ über Caspar Brötzmann. Das im Kino leider nur wenig gelaufene Ding erkundet in körnigen, über weite Strecken dunklen Bildern die kreative Philosophie von Caspar Brötzmann und seiner Band, dem Caspar Brötzmann Massaker, das er 2010 wiederbelebte.
Rückkopplungen aus dem Innersten
Brötzmanns manchmal als brachial bezeichnetes Gitarrenspiel zeichnet sich, bei allem Lärm, durch einen tiefen Soul aus und wird gern mit der elegischen Spielweise eines Jimi Hendrix verglichen. Ebenso wie Hendrix spielt Brötzmann aus dem Bauch, aus dem ganzen Körper heraus. Er lässt die Gitarre sich selbst spielen, lässt sie langsam rückkoppeln, erwartet die Ober- und Zwischentöne, hält sie, bremst sie und bändigt sie, um sie dann wieder loszulassen, um in ihrem Brummen, Zischen und Surren die Momente der Stille, der nicht gespielten und trotzdem magisch mitschwingenden Töne und Tonflächen freizusetzen. Die Feedbacks der Gitarre sind hier Rückkopplungen aus dem Innersten ihres Spielers. Neben Hendrix steht Caspar Brötzmann damit auch in einer Reihe mit dem New Yorker Avant-Gitarristen Loren Connors oder dem Lautenspiel eines Jozef Van Wissem.
Schueppels langsamer Film aus dem Jahr 2012 begleitet Brötzmann beim herumstreunern durch Feld, Wald und Strand. Er scheitet behutsam ein Lagerfeuer auf und erzählt von seinen „inneren Gärten“. Er erzählt von Voodoo und „den Plateaubergen“ in seiner „abstrakten Welt“. Die Kamera betrachtet ihn dabei wie ein leiser Freund. Klar: es geht also um Seelenlandschaften. Und wie Brötzmann diese mit seiner Gitarre malerisch und mit mühlwerkhafter Kraft und souliger Zärtlichkeit aus seiner Gitarre herausmalträtiert und in die Welt hineinmahlt.
Musikalisch gespielte Zerstörung und Schönheit
Diesen Momenten der inneren Einkehr sind Aufnahmen vom Reunion-Konzert des „Caspar Brötzmann Massakers“ im Jahr 2010 im Berliner Berghain gegengeschnitten. Hier entfalten sich, im Trio mit Danny A. Lommen und Eduardo Delgado-Lopez, die Wucht und das Wummern. Mit fast kindlich-beseeltem Lächeln zelebriert Brötzmann hier „musikalisch gespielte Zerstörung und Schönheit“. In der Einheit aus stoischem, dampflokomotivischem Rhythmusgerüst und den frei darüber jagenden, hin und wieder zu den Wurzeln musikalischer Muster zurückkehrenden Gitarreneskapaden Brötzmanns entwickelt das trancetaugliche Energien, die Brötzmann selbst ganz klar bei den urgewaltigen Wirkmächten von Stammesriten verortet sieht. Das erste Album des Caspar Brötzmann Massakers nennt sich nicht umsonst „The Tribe“.
Die körnigen Filmbilder und das knisternde Lagerfeuer, an dem Brötzmann in Schueppels Film vor sich hin sinniert sind sinnbildlich für das auf die Spielwut seines Besitzers wartende Flackern in den Röhren in Brötzmanns Marshallverstärkern. Zu denen offenbart er im Film eine spirituelle Bindung. Wenn Brötzmann dann auch noch – seine Texte rezitierend – Äste bedeutungsvoll in seinen träumerischen Händen zerknickend, im Wald im Kreis spaziert, dann steigert sich dieses filmische Zeitlupenessay ziemlich in seinen Hippiescheiss hinein und ist genau deswegen natürlich ganz wunderbar, weil musisch, hingebungsvoll und unzynisch.
Klang, Farben, Getöse und Groove
Filmisch ist das malerisch, körnig, in dunklen, warmen Farben gehalten. Manchmal verliert sich die Kamera in völliger Unschärfe und formt die bedächtigen Bilder zu flackernden Farbklängen. Ähnlich wie Brötzmann die Bilder seiner innerlichen, „abstrakten Welt“ mit der Gitarre in Klang, Farben, Getöse und Groove dorthin übersetzt, wo Worte längst nichts mehr auszudrücken vermögen. Der Film zeigt die Stille, aus der heraus der beseelte Lärm entsteht. Der Film zeigt das Innen und Außen der brötzmannschen Musik.
BROETZMANN – Da gehört die Welt mal mir / Thats When the World Is Mine from schueppel-films on Vimeo.
Bei Vimeo kann der Film gemietet und als Download gekauft werden. Auf der Webseite von Uli M Schueppel kann man sich durch das gut aufbereitete Werk des Regisseurs klicken.
2 thoughts on “Uli M Schueppel und sein Film über Caspar Brötzmann: „Da gehört die Welt mal mir“”